Wenn das Lächeln zurückkehrt: Rekonstruktive Chirurgie bei Gesichtslähmung
Eine Gesichtslähmung nach einem Tumor oder durch andere Ursachen ist für Betroffene ein tiefer Einschnitt. Mit moderner rekonstruktiver Chirurgie und interdisziplinärer Zusammenarbeit lassen sich Funktionalität und Symmetrie oft wiederherstellen. Entscheidend für den Behandlungserfolg sind vor allem der Zeitpunkt der Operation und das Alter der Patient*innen.
2025-10-02, 08:00 Uhr
Zwei Geschichten, zwei Verläufe
Die Schicksale von Sylvianne Hermann und Beat Wehrli verdeutlichen die unterschiedlichen Verläufe einer Gesichtslähmung.
Sylvianne Hermann war 69 Jahre alt, als bei ihr ein Tumor an der Speicheldrüse entfernt werden musste. «Meine grösste Angst war, verändert durch die Welt zu laufen», erzählt sie. Da der Tumor den Gesichtsnerv angegriffen hatte, mussten Teile davon mitentfernt werden.
Anders bei Beat Wehrli: Mit 86 Jahren litt er bereits unter einer ausgeprägten Lähmung im Gesicht, verursacht durch einen zu spät entfernten Tumor. «Die Leute haben angefangen, mich anzustarren. Ich habe mich immer mehr zurückgezogen», berichtet er.
Behandlung am Universitätsspital Basel
Beide Patient*innen wurden ans Universitätsspital Basel überwiesen, wo HNO-Spezialist Laurent Muller und plastischer Chirurg Tarek Ismail eng zusammenarbeiten.
«Frau Hermann wollte nicht nur überleben, sondern auch Lebensqualität zurückgewinnen», erklärt PD Dr. Ismail. Mit einer Nerventransplantation aus dem Unterschenkel sowie einer Gewebetransplantation konnte der Gesichtsnerv rekonstruiert und die Symmetrie wiederhergestellt werden.
Bei Herrn Wehrli war die Situation komplexer. «Die Lähmung bestand schon seit eineinhalb Jahren», sagt PD Dr. Muller. «Wir mussten Kontur und Volumen wiederherstellen und zusätzlich statisch rekonstruieren mit einer Straffung des Mittelgesichts. Ausserdem haben wir einen Muskel verpflanzt und mit dem Gesichtsnerv verbunden.»
Frühes Handeln ist entscheidend
Die Ärzte betonen die Bedeutung einer schnellen Diagnose. «Bei Frau Hermann war die Muskulatur noch intakt, das Ergebnis entsprechend sehr gut», so PD Dr. Ismail. «Bei Herrn Wehrli musste die Muskulatur ersetzt werden, was im höheren Alter nur eingeschränkt funktioniert.»
Am Universitätsspital Basel wird der Heilungsverlauf im Rahmen einer Studie mit Künstlicher Intelligenz dokumentiert, die unter anderem die Qualität der Mimik analysiert. Beide Patient*innen haben durch die Operation deutlich an Lebensqualität gewonnen. «Es ist natürlich ein gewaltiger Unterschied», sagt Wehrli. Frau Hermann ergänzt: «Ich hatte wirklich gute Ärzte und Glück.»
Ursachen von Gesichtslähmung
Im Studiogespräch erklärt PD Dr. Ismail, dass Tumore nicht die einzige Ursache für Gesichtslähmungen darstellen. Häufiger tritt die sogenannte idiopathische Gesichtslähmung auf, deren Auslöser unbekannt ist. «Zwei Drittel aller Fälle bleiben ungeklärt», so Ismail. «Entscheidend ist, innerhalb von sechs Monaten eine Abklärung zu machen. Nach acht bis neun Monaten stirbt die Muskulatur ab.» Besonders bei jüngeren Patient*innen sind Nervenrekonstruktionen sehr zuverlässig. Mit zunehmendem Alter sinkt jedoch die Erfolgsrate.
Methoden der rekonstruktiven Chirurgie
Je nach Ursache und Schwere der Gesichtslähmung stehen unterschiedliche rekonstruktive Verfahren zur Verfügung. Bei der dynamischen Rekonstruktion werden beispielsweise Nerven- oder Muskeltransplantationen eingesetzt, um die Beweglichkeit und Mimik des Gesichts möglichst vollständig wiederherzustellen. Die statische Rekonstruktion konzentriert sich darauf, Kontur und Symmetrie zu verbessern, zum Beispiel durch Straffungen oder Implantate. Beide Ansätze können individuell kombiniert werden, um Funktion und Erscheinungsbild bestmöglich zu korrigieren und die Lebensqualität der Patient*innen deutlich zu steigern.
Mehr dazu im TV-Beitrag von «gesundheit heute».
Ihr Kontakt
PD Dr. Tarek Ismail
Kaderarzt
Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische u.Handchirurgie
Mikrochirurgische Rekonstruktionen, Rekonstruktive Gesichtschirurgie inkl. Gesichtslähmung
PD Dr. Laurent Muller
Leitender Arzt
HNO
Leiter Hals- und Gesichtschirurgie
Universitätsspital Basel
Plastische Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie
plast.chirurgie@usb.ch
+41 61 265 73 00