Die Medizinische Kommunikation ist eine Spezialabteilung der Psychosomatik am Universitätsspital Basel. Unser Hauptfokus ist auf die Lehre und Forschung ausgerichtet. Nebst der Universitären Lehre über kommunikative Fertigkeiten im longitudinalen Curriculum des Medizinstudiums geben wir praxisbezogene Trainings, Workshops und Kurse für Ärzte und anderes Gesundheitspersonal.

 

Unsere Forschungsprojekte wie z.B. «Kommunikation in Notfallsituationen», die «Visitenstudie» oder «Kommunikation des Reanimationsstatus» haben zum Ziel, die evidenzbasierte Kommunikation zwischen Patienten und Ärzteschaft nachhaltig zu verbessern und so Auswirkung auf die Gesundheit und das Wissen unserer Patientinnen und Patienten über den eigenen Gesundheitszustand («Health literacy») zu steigern.

 

Klinisch hat die medizinische Kommunikation die interprofessionelle Spezialsprechstunde «Post ICU Care» etabliert. Patientinnen und Patienten leiden nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation oft an langfristigen psychischen und physischen Folgen ihrer kritischen Erkrankung. Mit dieser interprofessionellen Sprechstunde bieten wir eine spezialisierte Anlaufstelle für betroffene Patientinnen und Patienten und deren Angehörige.

 

Anfahrt & Kontakt

Universitätsspital Basel
Medizinische Kommunikation
Klingelbergstrasse 23 (2. Stock)

4031 Basel

 

 

Mit der Buslinie 30 bis Station "Bernoullianum" und zu Fuss 30 Meter.

 

Benutzen Sie bitte das Parkhaus City, Einfahrt Schanzenstrasse

oder Klingelbergstrasse

 

Parkplätze finden Sie direkt vor dem Haus an der Ecke Klingelbergstrasse / Hebelstrasse oder beim Haupteingang des Universitätsspital Basel,

Petersgraben 4, 4031 Basel

 

 

Sekretariat Medizinische Kommunikation

Erika Huggel

+41 61 328 56 62

erika.huggel@usb.ch

Dienstag und Donnerstag: 9  12.00 / 13.00 – 17.00 h 

 

Angebot

Die Kommunikation im Arzt-Patienten-Gespräch bildet das Fundament einer guten medizinischen Behandlung und gilt neben Professionalität oder dem medizinischen Wissen zu einer der Kernkompetenzen des ärztlichen Handelns. Zahlreiche Studien konnten belegen, dass eine gelungene Kommunikation die Zufriedenheit und das Wissen über den eigenen Gesundheitszustand der Patientinnen und Patienten verbessert und vor allem für deren psychische Gesundheit auch langfristig eine wichtige Rolle spielt.

 

Kommunikationstraining

 

Post-ICU Sprechstunde

Die Post-ICU Sprechstunde ist eine Spezialsprechstunde für Patientinnen und Patienten als auch deren Angehörige nach einem Aufenthalt auf der Intensivstation. Das Ziel dieser Sprechstunde ist die nochmalige Besprechung und Aufarbeitung des Erlebten auf der Intensivstation, zum Beispiel nach Reanimation oder anderer schwerwiegender Krankheit. Bei den meist komplexen Krankheitsverläufen soll, wo nötig und sinnvoll, eine Aufarbeitung der Krankengeschichte und Komplettierung der Abklärungen und Therapien gewährleistet werden.

 

Oft stehen schwierige Themen zwischen Leben und Tod im Raum und nicht selten entwickeln Angehörige von Intensivstationspatienten posttraumatische Belastungsstörungen. Die interprofessionelle Sprechstunde wird durch Prof. Sabina Hunziker (Chefärztin Stv. Psychosomatik, LA Medizinische Kommunikation) und Herrn Christian Emsden (MScN, Fachleiter Pflege APN Intensivstation/Dipl. Exp. Intensivpflege NDS HF) durchgeführt.

 

Terminvereinbarung:
E-Mail: erika.huggel@usb.ch

Tel. +41 61 328 56 62 (nur Di und Do)

Lehre / Weiterbildung

Täglich sind wir im Umgang mit unseren Patientinnen und Patienten mit kommunikativen Schwierigkeiten konfrontiert. Der Austausch von Informationen, das Überbringen schlechter Nachrichten, die Betreuung von Patienten ohne fassbare Beschwerden, der Umgang mit fordernden Patientinnen und Patienten und Angehörigen stellen für uns kommunikative Herausforderungen dar. Einfache Techniken können helfen, diese Aufgaben professioneller und strukturierter umzusetzen.

 

Unsere Kommunikationstrainingsangebote richten sich an die ganze Bandbreite des medizinischen Personals mit einem Schwerpunkt auf Ärzteschaft und Pflegende und an Studierende in Rahmen der Universitären Lehre.

Die Arztvisite ist ein Grundelement der patientenzentrierten Medizin. Hier ist die Kommunikation mit Patienten, Betreuungsteam sowie mit Angehörigen besonders wichtig, da hier meist wichtige Themen zur aktuellen medizinischen Situation besprochen, sowie weitere Therapien festgelegt werden. Sowohl organisatorisch als auch inhaltlich ist daher die Visite essentiell und erfordert nebst dem medizinischen Wissen eine gute kommunikative Kompetenz. Innerhalb der normalerweise kurzen Visitendauer von circa 10-20 Minuten pro Patientin oder Patient müssen komplexe medizinische, psychosoziale und organisatorische Aufgabenstellungen mit verschiedenen Gesundheitsfachpersonen, den Angehörigen und Patientinnen und Patienten gelöst werden.

 

Das Team der medizinischen Kommunikation bietet Visitenbegleitungen für Assistenzärztinnen und Assistenzärzte mit direktem Feedback und Teaching in medizinischer Kommunikation an.

Das longitudinale Curriculum der Medizinischen Kommunikation ermöglicht Medizinstudierenden der Universität Basel vom ersten Studienjahr an bis zum Abschluss des Studiums eine professionelle Ausbildung evidenzbasierter Arzt-Patienten-Kommunikation in verschiedenen, klinisch relevanten medizinischen Situationen.

 

Es beginnt mit allgemeinen Kommunikationstechniken, dem Unterschied zwischen beruflicher und privater Kommunikation im ersten Jahr. Im zweiten Jahr lernen die Studierenden wie patienten- und arztzentriert kommuniziert wird. Dazu gehört ein praktischer Teil mit einem neuen innovativen webbasierten Programm, bei dem sie einen Termin mit einem geschulten Simulationspatienten vereinbaren und eine Anamnese durchführen können. Der Simulationspatient kann den Studierenden so direkt Rückmeldung zum geführten Gespräch geben und später erhalten sie ein zusätzliches professionelles Feedback von Prof. Hunziker und ihrem Team (mehr Details im Abschnitt E-Learning und Blended Learning, siehe unten).

 

Im dritten Jahr lernen sie mehr über Techniken zur Diagnoseerstellung, wie z. B. spezifische Anamneseerhebung und Fallpräsentation in verschiedenen klinischen Umgebungen. Darüber hinaus findet ein Unterricht am Krankenbett in kleinen Gruppen im realen Umfeld statt, um diese Techniken zu üben.

 

Im vierten Studienjahr (1. Master) werden Kurse und Vorlesungen zum Thema «Überbringen schlechter Nachrichten» durchgeführt. Diese Techniken können von den Studierenden dann im praktischen Jahr geübt und eingesetzt werden. Im letzten Studienjahr werden die Studierenden in Form von Rollenspielen mit Simulationspatienten auf das Staatsexamen vorbereitet. Insgesamt sind die Kurse organisatorisch sehr komplex und zeitaufwändig, da sie in kleinen Gruppen mit einer grossen Anzahl beteiligter Trainer und Simulationspatienten durchgeführt werden, die zudem regelmässig vom Team der Medizinischen Kommunikation geschult werden.

Die Anzahl Studienplätze der Humanmedizin wächst stetig und damit die Herausforderung an die Lehre. Innovative Lösungen sind gefragt. Eine Pilotstudie der Abteilung Medizinische Kommunikation mit Medizinstudierenden der Universität Basel konnte zeigen, dass Blended Learning – also die Kombination aus Online- und Präsenzkursen - zur Vermittlung von Kommunikationskompetenzen einerseits effektiver als reiner Frontalunterricht und andererseits auch beliebter bei den Studierenden ist.

 

Blenderd Learning ist daher fester Bestandteil des longitudinalen Curriculums der Medizinischen Kommunikation. Dazu gehören aufwändig ausgearbeitete Onlinekurse zum Selbststudium. Diese beinhalten animierte Erklärvideos, sowie ärztliche Beispielgespräche, deren Verlauf per Mausklick beeinflusst werden kann. Weiter beinhaltet das Curriculum interaktive Onlinekurse, bei dem Studierende einen Termin mit geschulten Simulationspatient*innen vereinbaren und eine Anamnese durchführen. Die Simulationspatient*innen können den Studierenden so direkt Rückmeldung zum geführten Gespräch geben und später erhalten sie ein zusätzliches professionelles Feedback von Prof. Hunziker und ihrem Team.

 

Hier geht es zu der Studie.

Forschung

Die Abteilung «Medizinische Kommunikation» gilt in der Schweiz als Pionierabteilung. Ärztinnen und Ärzte treffen immer wieder auf schwierige kommunikative Herausforderungen. Wie eröffnet man Patienten eine schlimme Diagnose, wie spricht man mit Angehörigen über die Prognose eines kritisch kranken Patienten? Prof. Sabina Hunziker forscht mit ihrem Team vertieft auf diesem Gebiet und ermöglicht eine Umsetzung von evidenzbasierter Kommunikation im klinischen Alltag.

 

Der Forschungsschwerpunkt der Medizinischen Kommunikation des Universitätsspitals Basel ist die Kommunikation und Interaktion zwischen Ärztinnen und Ärzten, Patienten und Angehörigen, sowie innerhalb von Behandlungsteams. Verschiedene laufende und abgeschlossene Studien beleuchten das umfassende Feld der Medizinischen Kommunikation.

Patientenvorstellung am Patientenbett oder vor der Tür? Chefarztvisiten im Fokus einer randomisierten, kontrollierten Multicenter-Studie

 

Obwohl die Chefarztvisite einen der wichtigsten Pfeiler der stationären Patientenbetreuung darstellt, gab es bisher nur wenige Studien, die den besten Ansatz zur Einbindung von Patientinnen und Patienten untersuchten. Während Patientenvisiten verwenden Ärztinnen und Ärzte häufig medizinische Fachsprache, mit der Patientinnen und Patienten möglicherweise nicht vertraut sind. Dieses kann zu Unsicherheiten oder Missverständnissen führen. Für die erfolgreiche Umsetzung von Therapien gelten jedoch gerade Verständnis und Wissen als wichtige Voraussetzung.

 

In einer SNF-unterstützten Multicenter-Studie haben wir den Einfluss der Patientenvorstellung (direkt am Patientenbett versus vor dem Patientenzimmer) auf patienten-relevante Outcomes verglichen. Wir konnten hierbei zeigen, dass beide Patientengruppen ein vergleichbares Wissen über ihre medizinische Erkrankung und Versorgen aufwiesen. Patientinnen und Patienten, bei welchen die Patientenvorstellung am Bett stattfand, gaben hingegen mehr Verwirrung durch die medizinische Fachsprache und Unsicherheit infolge der medizinischen Diskussion innerhalb des ärztlichen Teams an. Darüber hinaus wurden in der Gruppe mit der Patientenvorstellung am Bett weniger heikle Themen angesprochen. Obwohl der direkte Kontakt zwischen Patient und Behandlungsteam in der Gruppe der Patientenvorstellung am Bett länger war und von den Patienten länger empfunden wurde, zeigte sich diese Visitenform als zeiteffizienter.

 

Die Studie, welche am Universitätsspital Basel, Kantonsspital Aarau und Kantonsspital Baselland durchgeführt wurde, lieferte somit wichtige Erfahrungen zu Präferenzen der Patienten als auch des Behandlungsteams und wo wir in der Ausbildung und Schulung weiter ansetzten sollten, um die Visitenkommunikation in der jeweiligen Durchführungsform weiter zu optimieren.

 

Ein Artikel mit den Hauptergebnissen wurde erfreulicherweise in einer hochrangigen Fachzeitschrift veröffentlicht und erhielt internationale Aufmerksamkeit.

 

Effect of Bedside Compared With Outside the Room Patient Case Presentation on Patients' Knowledge About Their Medical Care

Weitere Studien im Rahmen der BEST PRESENTATION / BEDSIDE-OUTSIDE-Trial

 

Perspektive von Ärzten und Pflegepersonal
In einer begleitenden Befragung von über 800 beteiligten Mitarbeitenden zeigte sich, dass Ärztinnen und Ärzte die Patientenvorstellung vor dem Zimmer bevorzugten – insbesondere wegen besserer Zeitplanung, Möglichkeit zur Diskussion sensibler Themen und weniger Belastung für das Team. Pflegefachpersonen hingegen gaben eine höhere Zufriedenheit mit der Vorstellung am Bett an, da diese stärker patientenzentriert ist. Die Ergebnisse unterstreichen die unterschiedlichen Perspektiven von Berufsgruppen und die Bedeutung gezielter Kommunikationsschulungen.

 

Einfluss der Entscheidungsvorlieben von Patient:innen
Eine weitere Analyse untersuchte, wie stark sich Patient:innen in medizinische Entscheidungen einbeziehen lassen wollen (sogenannte decisional control preferences). Dabei zeigte sich: Unabhängig von ihrer Rolle in Entscheidungen hatten alle Patient:innen ein ähnliches Wissen über ihre Erkrankung. Allerdings berichteten Patient:innen mit einem aktiven Entscheidungswunsch weniger Vertrauen in das Behandlungsteam und eine geringere Zufriedenheit mit dem Spitalaufenthalt. Diese Ergebnisse sprechen dafür, die Visitenkommunikation stärker an die individuellen Bedürfnisse anzupassen.

 

Umgang mit heiklen Themen
Ein grosser Teil der hospitalisierten Patient:innen war mit sensiblen Themen wie medizinischer Unsicherheit, psychischen Begleiterkrankungen, Tumordiagnosen oder sozialen Problemen konfrontiert. Diese Patient:innen berichteten im Schnitt eine geringere Zufriedenheit mit ihrer Betreuung – besonders, wenn während der Visite Konflikte oder Missverständnisse auftraten. Die Studie zeigt, wie wichtig gezielte Kommunikationstechniken sind, um die Betreuung von Patient:innen mit belastenden Themen zu verbessern

Ein Herzkreislaufstillstand versetzt Menschen in eine lebensbedrohliche Situation, welches sowohl Patient*Innen aber auch ihre Familien schwer belastet und die psychische Morbidität beeinflusst. In ersten Untersuchungen konnten wir zeigen, dass etwa 40% der Angehörigen von Reanimationspatient*Innen Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung aufweisen. Auch ein Jahr nach Reanimation erfüllten 17% der Angehörigen die Definition einer klinisch relevanten Depression.

 

In der Communicate-Studie erheben wir am Universitätsspital Basel bei Patientinnen und Patienten nach Reanimation und deren Angehörigen systematisch Angst- und Depressionssymptome, Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung, Alexithymie sowie neurologische und körperliche Einschränkungen 3 Monate, 1 und 2 Jahre nach Reanimation. Wir erfassen eine Reihe von potenziellen Risikofaktoren und untersuchen deren Einfluss auf diese Langzeitfolgen mit dem Ziel einer Prävention, Früherkennung und -behandlung.

 

Darüber hinaus untersuchen wir, wie und ob eine Kommunikationsstrategie die Morbidität der Angehörigen kritisch kranker Patientinnen und Patienten insbesondere in Bezug auf eine posttraumatische Belastungsstörung reduzieren kann.

 

Prognose und Outcome nach Herzkreislaufstillstand

 

Eine frühzeitige, sichere Prognose nach Herzkreislaufstillstand kann die Entscheidungsfindung hinsichtlich der weiteren medizinischen Behandlung erleichtern. In unserer Studie untersuchen wir neue innovative Biomarker mit dem Ziel, bestehende Risiko-Scores zur Prognoseabschätzung zu verbessern und eine bessere Voraussage zu ermöglichen.

 

Die Resultate unserer Studie sollen es ermöglichen, sowohl die medizinische Behandlung von Patienten nach einem Herzkreislaufstillstand als auch ihre psychosoziale Betreuung zu verbessern.

In einer systematischen Übersichtsarbeit mit Metaanalyse, die im Fachjournal JAMA Network Open veröffentlicht wurde, haben wir den Einfluss verschiedener Kommunikationsinterventionen auf Entscheidungen zum Reanimationsstatus untersucht. Die Analyse randomisierter Studien zeigt: Solche Interventionen – insbesondere Videoinformationen als Entscheidungshilfen – verbessern das Wissen von Patientinnen und Patienten über Reanimationsmaßnahmen deutlich. Zugleich führte der Einsatz von Videos dazu, dass im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands häufiger auf eine Reanimation verzichtet wurde (RR 0.56 gegenüber RR 1.03 bei anderen Interventionen, p < .001)

 

https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/31173119/

 

Zu beachten ist, dass die Interventionen heterogen waren und überwiegend aus visuellen, videobasierten Informationsformaten bestanden – direkte, persönliche Gespräche fanden in den eingeschlossenen Studien nur selten statt. Dies wirft die Frage auf, wie Videoformate sinnvoll mit echten, interaktiven Gesprächen kombiniert werden können, um individuelle, informierte Entscheidungen zu ermöglichen, ohne Patientinnen und Patienten zu verunsichern.

 

In einem nächsten Schritt haben wir daher eine multizentrische, randomisierte Studie durchgeführt. Darin haben wir eine Kommunikationsstrategie, die auf den Prinzipien des Shared Decision-Making basiert und eine strukturierte Kommunikations-Checkliste nutzt, mit der üblichen Gesprächsführung („usual care“) zum Reanimationsstatus verglichen. Ziel war es, den Effekt einer solchen Strategie zu prüfen, die Qualität der Gespräche zu fördern, informierte individuelle Entscheidungen zu unterstützen und Ängste zu vermeiden

(https://clinicaltrials.gov/ct2/show/NCT03872154)

 

Bei Eintritt ins Spital, wird mit jeder Patient*in, üblicherweise zu Beginn des Aufenthaltes, routinemässig besprochen und dokumentiert, welche Massnahmen im Fall eines plötzlichen Herzkreislaufstillstands getroffen werden sollen. Dabei sind, unter Einbezug des medizinischen Zustands der Patient*in, deren Wünsche und Präferenzen ausschlaggebend. Diese Gespräche sind anspruchsvoll und erfordern eine gute Kommunikation, um die Wünsche der Patient*innen abzubilden und sie nicht zu verunsichern. Zugleich ist bekannt, dass Patientinnen und Patienten die Erfolgsaussichten einer Reanimation häufig überschätzen – ein Aspekt, der die Entscheidungsfindung erheblich beeinflussen kann. Bisher gab es jedoch keine klare Evidenz dazu.

 

In einer cluster-randomisierten Multicenter-Studie an sechs Schweizer Lehrspitälern haben wir untersucht, wie sich eine auf Shared Decision-Making basierende Kommunikationsstrategie – mit Checkliste und prognostischen Entscheidungshilfen – auf Gesprächsqualität, Entscheidungsfindung und Patientenwissen auswirkt.

 

 

Eingeschlossen wurden 206 Assistenzärzt*innen und 2’663 internistische Patient*innen. Im Vergleich zur üblichen Versorgung zeigte die Kommunikationsstrategie deutliche Vorteile: Patientinnen und Patienten fühlten sich sicherer in ihrer Entscheidung, waren stärker in die Entscheidungsfindung eingebunden und verfügten über ein besseres Wissen zu Prognose und Behandlungsmöglichkeiten. Zudem zeigte sich mehr Zurückhaltung bei Reanimationswünschen, insbesondere bei ungünstiger Prognose.

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Diese Ergebnisse verdeutlichen, wie wichtig eine strukturierte Kommunikation in komplexen medizinischen Situationen ist. Sie ermöglicht eine fundiertere Entscheidungsfindung, berücksichtigt individuelle Werte und trägt zu einer gezielteren, patientenzentrierten Versorgung bei. Das Manuskript dieser Studie wurde in NEJM Evidence veröffentlicht (siehe hier:

https://evidence.nejm.org/doi/full/10.1056/EVIDoa2400422)

 

 

Checklist-guided Shared Decision-making for Code Status Discussions in Medical Inpatients

Flyer Code Clear (deutsch)

Flyer Code Clear (englisch)

Flyer Code Clear (französisch)

Ergänzende Studien:

 

In weiteren Parallel- und Folgearbeiten wurden zentrale Aspekte der Entscheidungsfindung bei Reanimationsgesprächen vertieft untersucht. Diese Studien ergänzen die Hauptstudie CLEAR und zeigen, wie strukturierte Kommunikation und evidenzbasierte Prognoseinstrumente Hand in Hand zu einer patientenzentrierten, realistischen Entscheidungsfindung beitragen.

 

 

Eine Parallel-Studie der CLEAR Studie („GUIDE Trial“) [JAMA Network Open 2025] befasste sich mit Patientinnen, bei denen eine Reanimation als medizinisch aussichtslos galt (sogenannte Medical Futility bezüglich Reanimationsmassnahmen). Dabei zeigte sich, dass eine strukturierte, checklistenbasierte Gesprächsführung die Präferenz für eine Aufnahme auf die Intensivstation deutlich senkte und Ärztinnen die Gespräche als weniger belastend empfanden – ohne die Patient*innen psychologisch stärker zu belasten.

 

Link zur Publikation: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/40996760/

 

 

In einer Follow-up Studie der CLEAR Studie  [JAMA Network Open 2025] wurde zudem gezeigt, dass der Good Outcome Following Attempted Resuscitation (GO-FAR)-Score und die Clinical Frailty Scale (CFS) eine hohe Aussagekraft zur Abschätzung der Langzeitsterblichkeit aufweisen. Die Kombination beider Instrumente ermöglicht eine präzisere Prognoseeinschätzung und unterstützt damit klinische Entscheidungen und vorausschauende Gesprächsführung.

 

Link zur Publikation: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/41026487/

 

Zeitungsartikel zum diesem Paper:

https://www.bazonline.ch/herzstillstand-jede-zweite-person-will-keine-wiederbelebung-354079221081

https://www.bernerzeitung.ch/herzstillstand-jede-zweite-person-will-keine-wiederbelebung-354079221081

https://www.derbund.ch/herzstillstand-jede-zweite-person-will-keine-wiederbelebung-354079221081

https://www.tagesanzeiger.ch/herzstillstand-jede-zweite-person-will-keine-wiederbelebung-354079221081

https://www.linkedin.com/posts/nejm-evidence_medicalresearch-clinicaltrials-activity-7324443884208463872-Nz0M?utm_source=share&utm_medium=member_ios&rcm=ACoAAEUj_8QBBVPSdULskP25VBBcm8qHVREXbZ8

Nächster Schritt: Umsetzung in der Praxis - Strukturierte Besprechung des Reanimationsstatus mit der Code Clear App

 

Die Ergebnisse der randomisierten Studie sollen nun in den klinischen Alltag verschiedener Schweizer Spitäler überführt werden. Zu diesem Zweck hat die Abteilung Medizinische Kommunikation die Code Clear App entwickelt und optimiert sie kontinuierlich weiter.

 

Die App bietet eine interaktive Checkliste, die eine vollständige Aufklärung sowie die aktive Einbindung von Patient*innen in die Entscheidung für oder gegen Reanimationsmassnahmen ermöglicht. Zentrale Elemente sind eine individuell berechnete Überlebensprognose nach einem Herzkreislaufstillstand sowie visuelle Entscheidungshilfen, die die Kommunikation erleichtern und eine informierte Entscheidungsfindung unterstützen.

 

Der vereinbarte Reanimationsstatus wird als PDF dokumentiert, im Klinikinformationssystem hinterlegt und kann – falls gewünscht – den Patientinnen und Patienten ausgehändigt oder an die behandelnde Hausärztin bzw. den Hausarzt übermittelt werden.

Das Universitätsspital Basel hat seine Prozesse bereits entsprechend angepasst. Derzeit werden alle Ärztinnen und Ärzte in der Anwendung der Code-Clear-App geschult und führen Reanimationsgespräche nach dem Code-Clear-Standard durch. Schulungen und E-Learnings begleiten die Einführung. Weitere Zentren sind in Planung, und ein schweizweites Ausrollen mit begleitender Implementierungsstudie ist vorgesehen.

Systematisches Review und Meta-Analyse zum Effekt von Kommunikationsinterventionen auf Reanimationsentscheidungen

 

Kommunikationsinterventionen, insbesondere Reanimationsvideos als Entscheidungshilfen waren mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von Patientinnen und Patienten, eine Reanimation im Falle eines Herz-Kreislauf-Stillstands abzulehnen, assoziiert. Zudem zeigten sich Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Kommunikationsinterventionen und vermehrtem Wissen über Reanimation.

Eine nationale, repräsentative Umfrage in der schweizerischen Allgemeinbevölkerung

 

Ein Herzkreislaufstillstand ist heute immer noch eine der häufigsten Todesursachen. Bei einem Herzkreislaufstillstand ausserhalb des Spitals liegen die Überlebenschancen bei etwa zehn Prozent. Geschieht der Herzstillstand im Spital, überlebt etwa jede fünfte Person.

 

Unsere repräsentative Umfrage in der schweizerischen Bevölkerung zeigte, dass drastisch überschätzt wird, wie erfolgreich eine Wiederbelebung nach einem Herzkreislaufstillstand ist. So präferierten 80 Prozent der Befragten wiederbelebt zu werden, unabhängig von den Umständen. Der wichtigste Prädiktor für diesen Entscheid war die Einschätzung der Überlebenschance. Dabei wurde die Überlebenschance ohne neurologische Einschränkungen durchschnittlich auf 40 bis 60 Prozent geschätzt.

 

Demzufolge basiert der Wunsch nach einer Wiederbelebung bei vielen auf einer Fehleinschätzung. Es ist daher wichtig zu erklären, was eine Wiederbelebung im Falle eines Herzkreislaufstillstands bedeutet, damit Patient*innen eine informierte und für sie sinnvolle Entscheidung treffen können.

(Publikations-Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/37056958/)

 

Auch im Gesundheitswesen sind diese Fehleinschätzungen verbreitet. In einer nationalen Umfrage unter 1 803 Fachpersonen aus Intensivmedizin, Anästhesie und Notfallmedizin wurde deutlich, dass auch Ärztinnen, Ärzte und Pflegefachpersonen die Überlebenswahrscheinlichkeit nach einem Herz-Kreislauf-Stillstand eher zu hoch einschätzen (mittlere Schätzung 12–15 %). Diese persönlichen Vorstellungen beeinflussen zudem Entscheidungen in klinischen Fallvignetten: So bevorzugten 85 % der Befragten bei einem 70-jährigen Patienten einen Do-not-resuscitate-Status (DNR) und 53 % würden selbst auf eine Reanimation verzichten.

(Publikations-Link: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38375442/)

Ein realistisches Verständnis der eigenen Prognose kann Patient*innen mit fortgeschrittener Krebserkrankung dabei helfen, informierte Entscheidungen bezüglich ihrer Behandlung zu treffen, unnötig belastende Therapien zu vermeiden und sich besser auf die Zukunft vorzubereiten. Bisherige Studien zeigen jedoch, dass viele Patient*innen ihre Prognose nicht realistisch einschätzen. Die meisten Untersuchungen beziehen sich dabei auf Personen in sehr späten Krankheitsphasen mit einer Lebenserwartung von nur wenigen Wochen bis Monaten. Evidenz zum prognostischen Verständnis bei Patient*innen in früheren Krankheitsstadien ist bislang rar.

Ziel unserer multizentrischen Studie (Universitätsspital Basel, St. Claraspital Basel, Kantonsspital Liestal und Kantonsspital Olten) ist es daher, besser zu verstehen, was Patient*innen mit fortgeschrittener Krebserkrankung und deren Angehörige über ihre Prognose wissen, wie sie damit umgehen und welche Informationsbedürfnisse bestehen. Mittels strukturierter Befragungen wollen wir Erkenntnisse darüber gewinnen, wie gut das prognostische Verständnis tatsächlich ist – und welche Faktoren es beeinflussen.

 

Darüber hinaus untersuchen wir, ob ein realistisches Verständnis mit psychischem Wohlbefinden, Lebensqualität und Vertrauen in das Behandlungsteam zusammenhängt. Weitere Ziele sind es zudem, der Wunsch nach prognostischen Informationen sowie swünsche und Versorgungsdefizite zu erfassen.

 

CARE INSIGHTS wird finanziell von der Schweizer Krebsliga unterstützt.

In der Patientensimulator Forschung untersuchen wir gemeinsam mit dem Team der Medizinischen Intensivstation den Einfluss von wichtigen Kommunikationselementen wie Führungsaussagen. Dabei hat sich gezeigt, dass eine gezielte Instruktion über die Führungskommunikation die Reanimationsleistung signifikant verbessern kann. Die Ergebnisse dieser Studien haben erfreulicherweise seit 2010 Eingang gefunden in die Reanimationsrichtlinien der American Heart Assoziation. Es wird nun neu empfohlen Kommunikative Fertigkeiten bezüglich Teamarbeit und Führungsverhalten in den Reanimationskursen zu lehren. Aktuell läuft eine grosse multizentrische, randomisierte Studie mit einem Amerikanischen Zentrum, um den Einfluss der Führungszuteilung sowie Gruppengrösse in der Reanimationssituation zu untersuchen.

In Planung ist das Projekt einen Leitfaden für die Kommunikation am Universitätsspital Basel, resp. Nordwest zu etablieren, einen «Kommunikations-Pocketguide».

Team

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Prof. Dr. Sabina Hunziker Schütz

Leitende Ärztin Medizinische Kommunikation, Stv. Chefärztin Psychosomatik

Medizinische Kommunikation, Psychosomatik

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Dr. Christoph Becker

Oberarzt

Medizinische Kommunikation, Innere Medizin / Notfallstation

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Dr. Armon Arpagaus

Oberarzt; Post-Doc

Innere Medizin; Medizinische Kommunikation

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Dr. Flavio Gössi

Oberarzt; Post-Doc

Innere Medizin; Medizinische Kommunikation

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Dr. phil. Sebastian Gross

Post-Doc

Medizinische Kommunikation

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Clara Leoni Lessing

Doktorandin

Medizinische Kommunikation

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Matilda Luisa Bäni

Stud.Hilfskraft

Medizinische Kommunikation

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Lea Anna Jeger

Stud.Hilfskraft

Medizinische Kommunikation

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Fabian Oliver Steffen

Stud.Hilfskraft

Medizinische Kommunikation

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Erika Huggel

Administrative Mitarbeiterin

Medizinische Kommunikation

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Aktuelles aus der Medizinischen Kommunikation